Wir wollen auf ein Festival der Nachhaltigkeit von Berlin nach Bochum fahren; zwei Personen und Geräte für Foto- und Video-Produktion. Da stellt sich dann die Frage: Wie hinkommen, ohne mehr Dreck zu machen als nötig?
Mit der Bahn zu einem Umweltfestival zu fahren fühlt sich seit der Inbetriebnahme von dem Steinkohle-Kraftwerk Datteln-4 nicht mehr so sauber an. Laut eigenem Bericht zu 2023 ist der spezifische Treibhausaustoß des DB-Konzerns zuletzt sogar gestiegen. Und das, obwohl schon seit Jahren die meisten Firmenfahrzeuge auf der Straße herausgeschönt werden.
Das Material, das die Reise mitmachen muss, macht eine Bahnfahrt ohnehin unpraktikabel. Also Straße, aber wie? Die Wahl fiel hier aus praktischen Gründen auf ein Fahrzeug mit Lithiumeisenphosphat als Energiespeicher. Kein Mangan oder Kobalt, das dringender zur Entschwefelung von Kraftstoffen gebraucht wird. Das Fahrzeug ist nicht ganz neu, was sich auch in der Ladetechnik zeigt.
Die Reiseplanung mit einem Fahrzeug dieser Art übernimmt spezialisierte Software. Damit werden Wetter, Steigungen und Verkehrsdaten verbunden mit den persönlichen Vorgaben. Mit ein bisschen Glück können wir die eingeplanten Pausen auch zur Ver- und Entsorgung des eigenen Organismus verwenden.
Um vier Uhr soll es losgehen. Fast hätten wir das auch geschafft, aber immerhin kaum über eine halbe Stunde später sind wir auf dem Weg. Der erste Stop ist in Hohenwarsleben. Allerdings nicht an dem allseits bekannten Supercharger, sondern an einer älteren Säule, weil das Auto ohnehin nicht so viel auf einmal Laden kann.
Die Säule ist nicht nur alt, sondern auch unkonventionell platziert. Darum muss das Auto quer stehen, denn sonst reicht das Kabel nicht bis zum Anschluss an der "Nase". Gut, dass sonst niemand da ist. Leider ist die Restauration dort noch geschlossen, also gehen wir zu dem Händler für fossile Brennstoffe auf die andere Straßenseite.
Der hat jetzt auch ein paar Ladestationen, aber die Tarifstruktur ist hierzulande etwa so übersichtlich wie die Mobilfunktarife vor zwanzig Jahren. Ein Preisaufschlag von 30% ist schon happig. Und das selbt dann, wenn man die Ladekarte von diesem Anbieter hat.
Während wir frühstücken meckert das Auto, es sei schon voll genug. Man lädt auf der Strecke nicht bis Oberkante, weil zu Ende hin alles langsamer wird. Also flugs aufessen, rüber und weiter. Nächster Stopp: Hannover.
Hier sind wir verwirrt, weil auf der Säule zwei verschiedene Betreiber stehen. Auto ist aber zufrieden und lädt sofort. Das Auto ist für "Autocharge" nur bei einem der Anbieter eingetragen, also mache ich mir keine Sorgen.
Weil wir zuvor etwas zu viel geladen haben, ist der zweite Stopp kürzer als gedacht. Bevor wir entschieden haben, ob wir noch wo hingehen, ist das Auto auch schon fertig. Also fahren wir noch schnell einen Abstecher zum Discounter. Wasser besorgen für das gute Wetter, das heute angesagt ist.
Der nächste Halt ist an einer "Luxus"-Station: sie hat ein Dach. Und neue Säulen aber das Auto kann davon nicht viel nutzen.
Noch eine kurze Zwischenmahlzeit, so eine U-Bahn-Stulle aus blondem Brot, und schnell noch die Toiletten benutzen. Bielefeld ist bisher der komfortabelste Zwischenstopp. Hier werden wir auch wieder auf der Rückreise anhalten.
Bochum ist ziemlich voll, aber zum Glück hat unser Hotel einen Parkplatz und ist gar nicht weit vom Festival entfernt. Noch schnell das Auto an den LaLa (Langsam-Lade) Stecker angeschlossen. Hier gibt es besonders wertvolle Elektronen. Der Betreiber, dem das Hotel die Kontrolle überlassen hat, ist jedenfalls offenbar dieser Ansicht.
Mit allem Drum und Dran sind wir Mittags bei der Jahrhunderthalle. Früher wurde hier Stahl und Eisen produziert. Das Gelände und auch die umliegenden Gebäude sind immer noch beeindruckend. Heute wird hier Kultur gemacht. Wir sehen uns überall um. Drinnen ist eine Messe mit vielen kleinen Ständen.
Auf dem Vorplatz ist eine Bühne aufgebaut. Zum Abend hin wird hier ein Konzert stattfinden:
Nach 2 Tagen Festival und Nachhaltigkeitsmesse geht es wieder zurück nach Berlin. Der erste Stopp wie geplant wieder in Bielefeld. Danach wird es etwas komplizierter.
Auf dem Rückweg laden wir noch ein Autoteil ein, das ein Berliner Liebhaber bestellt hat. Somit schlagen wir den Bogen von Oldtimer zu neuer Technik. Das Empfängerauto ist anscheinend über 30 Jahre alt. Wir sind jetzt so ein bisschen wie ein Organspenderkurier.
Die angepeilte Station bei Lehrter See zickt. Startet aber macht dann die Ladung wieder aus, als wir drinnen beim Abendbrot organische Energie tanken. Also noch mal raus und bei der niegelnagelneuen Station angesteckt, wo dann auch gleich wieder extrawertvolle Elektronen angeboten werden.
Der Letzte Ladestopp soll diesmal nicht in Hohenwarsleben stattfinden, sondern in Irxleben am Supercharger. Wir ernten ein paar verwirrte Blicke der Stammgäste, aber technisch funktioniert alles OK. Dies ist der preiswerteste Ladestopp der gesamten Tour, weil wir vom Nachttarif profitieren.
Fazit: Eine lohnende Reise, und mit etwas Planung ging fast alles glatt. Mit einer moderaten Reisegeschwindigkeit ist auch immer noch viel Luft vorhanden, um eventuelle Probleme oder Änderugen zu kompensieren. Baustellen sind jetzt nicht immer doof; durch die niedrigere Geschwindigkeit geht der Verbrauch spürbar runter.
kwr
Ist quer durch Deutschland mit dem E-Auto sinnvoll?
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